Von Ibrahim El-Salahi wird gesagt, dass er zu den Schlüsselfiguren der afrikanischen Moderne gehört. Das ist zutreffend, aber nur die Hälfte der Geschichte. Es stimmt, dass El-Salahi seine eigene «Schule» gegründet hat, die sogenannte Karthum Schule, und in den 1960er Jahren die USA, Mexico und Brasilien bereiste, wo er die Künstler:innen der Spiral Group traf, aber auch Rufino Tamayo und viele andere. Tatsächlich war er Kulturattaché und dann Kulturdirektor des Sudans und war, mit den späteren Nobelpreisträgern Wole Soyinka und Nagib Mahfuz, Mitglied des legendären Mbari-Clubs in Nigeria. Und 1976 kam El-Salahi wegen eines Putschversuchs, mit dem er nichts zu tun hatte, ohne Verurteilung sechs Monate ins Gefängnis bevor er dann ins Exil nach Katar ging, wo er als Berater des Emirs tätig war.
Aber vor allem hat El-Salahi als einer der Ersten versucht, die Kunst Europas (wo er in Oxford studiert hatte) ganz bewusst zu entlernen, um ab Ende der 1950er Jahre in der Auseinandersetzung mit seiner Herkunft und den Traditionen des Sudans zu einer neuen Kunst zu gelangen. Genau das macht ihn heute aktueller denn je. El-Salahi ist somit eine Schlüsselfigur der Moderne schlechthin, denn in seinem Werk spiegelt sich ein ganzes Jahrhundert mit seinen Brüchen, Hoffnungen und Forderungen. Nicht zuletzt deswegen wurde El-Salahi in seiner Wahlheimat Grossbritannien 2013 in der Tate Modern mit einer Einzelausstellung geehrt.
Die Kunsthalle Zürich zeigt einen konzentrierten Ausschnitt aus El-Salahis sechzigjährigen Oeuvres: Eine Gruppe von 89 kleinformatigen Pain Relief Drawings, von Schmerzlinderungs-Zeichnungen, wie sie seit 2016 entstehen. Auf den ersten Blick erscheinen sie leicht und verspielt, als wären es nebenbei entstandene Telefonzeichnungen. Sie sind aber viel mehr als geistesabwesende Beschäftigungen. Auf Medikamentenpackungen oder Couverts gezeichnet, sind die Pain Relief Drawings konzentrierte, geballte Miniaturen, wie sie das Linien ziehende Denken hervorbringt, assoziativ, leichtfüssig und meditativ.