Sich näherkommen, austauschen, lauschen und eintauchen – das geschieht bei einer guten Führung im Museum. Ver-Führung ist eine Kunst für sich, auch im Museum. Was macht eine gute Führung aus? Wir haben beim Botanischen Garten (Peter Enz, Gartenleiter), Helmhaus Zürich (Andrea Huber, Kinderführungen), Kulturama Museum des Menschen (Sabine Frei, M. Sc., Vermittlung, wissenschaftliche Mitarbeit), Museum für Gestaltung (Nicola von Albrecht, Kuratorin Vermittlung), NONAM Nordamerika Native Museum (Melanie de Visser, Kulturvermittlung) und bei der Urania Sternwarte Zürich (Lucia Kleint, Astrophysikerin, Führungen Urania-Sternwarte) nachgefragt – und erfahren, warum Führungen auch im Zeitalter von Audioguides und virtuellen Rundgängen unverzichtbar sind. 

Was ist das Besondere bei der Führung als Form der Vermittlung?
Kulturama Museum des Menschen:
Eine Führung lebt. Die Begeisterung der MuseumspädagogInnen überträgt sich direkt auf das Publikum – ohne, dass man etwas abhören oder lesen muss. Gute Führungen leben von Geschichten und Erlebnissen, bieten den Besuchenden die Möglichkeit Fragen zu stellen und liefern Antworten aus erster Hand. 
Museum für Gestaltung: Führungen können Orientierung sein, den Blick auf bestimmte Details lenken, die Ausstellungsinhalte in verschiedene inhaltliche Zusammenhänge stellen, Einblicke «hinter die Kulissen» geben, die Dinge unter Blickwinkeln betrachten, die sich von den eigenen Perspektiven und Erwartungen unterscheiden – die Aufzählung liesse sich beliebig ergänzen. Nicht selten entwickeln sich Führungen zu Gesprächen und Diskussionen. Der Museumsbesuch wird damit zum Raum für gedanklichen Austausch und – vielleicht das Wichtigste – der menschlichen Begegnung.
Helmhaus Zürich: Der ungewisse Ausgang. Denn die Führung lebt nicht nur vom durchdachten Programm, sondern von dem, was die Besuchenden, bei uns die Kinder, damit anstellen.
NONAM Nordamerika Native Museum: Alle Kulturvermittelnden haben ihre eigenen Geschichten, ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen, die sie gerne teilen, und natürlich ihren eigenen Stil. Manche haben auch eigene Vermittlungsformate – wie zum Beispiel die Theaterführung. Da wird die Geschichte zu einem ganz anderen Erlebnis, bei dem man eintaucht und ein Teil der Geschichte wird. So wird jede Führung und jeder Workshop einzigartig.

Warum werden Führungen noch angeboten, wenn man doch alles mit einem Audioguide ansehen könnte?
Kulturama Museum des Menschen:
Die Besuchenden haben die Möglichkeit einer Fachperson auf Augenhöhe zu begegnen. Der grosse Mehrwert einer Führung ist die Interaktionsmöglichkeit und das gemeinsame Erlebnis. 
Urania Sternwarte Zürich: In der Sternwarte wäre ein Audioguide sehr schwierig. Wenn jemand zuerst einige Minuten Instruktionen anhören müsste, wie man durch ein Fernrohr schaut (und es dann eventuell nicht klappt), dann wäre das nicht sehr spannend oder sogar frustrierend.
Museum für Gestaltung: Der Audioguide vermittelt stets dieselben Inhalte, die meist den Blick der AusstellungsmacherInnen widerspiegeln. Jede Führung ist dagegen ein einmaliges Erlebnis. Sie ermöglicht ganz individuelle Annäherungen an das Ausstellungsthema, geprägt von der Persönlichkeit, den Perspektiven, Erfahrungen und Interessen der Führungsperson, vor allem aber auch der Menschen, die in der Gruppe zusammenkommen. Eine Führung ist eine Einladung zum Gespräch, in das sich alle auf irgendeine Weise einbringen können.
NONAM Nordamerika Native Museum: Der Audioguide ist ideal, um mehr über die Objekte und Zusammenhänge zu erfahren und zu lernen. Leider beantwortet auch der beste Audioguide immer noch keine Fragen. Und diskutieren kann er auch nicht. Das Museum soll ja nicht nur ein Ort sein, wo man Wissen konsumiert, sondern auch oder vor allem ein Ort für Austausch und Diskussionen. So entstehen auch ganz neue Sichtweisen und Perspektiven und es wird Wissen ausgetauscht oder überhaupt erst generiert. Wissen, das neu, spannend und manchmal vielleicht auch ein bisschen verrückt ist.

Erfahren Führungen nach dem Lockdown eine erhöhte Beliebtheit, weil die Besuchenden den persönlichen Kontakt wieder mehr schätzen?
Kulturama Museum des Menschen:
Definitiv. Bei den Besuchenden ist das Bedürfnis klar spürbar, wieder etwas vor Ort erleben zu dürfen. Bei den Führungen habe ich eine ähnliche Sehnsucht erfahren. Es kann gut sein, dass die Menschen einen Ausgleich zu den ständigen Video-Sitzungen und digitalen Ersatzbeschäftigungen suchen und diesen hier im Museum finden.
Urania Sternwarte Zürich: Ja, die Führungen in der Urania-Sternwarte waren bei jeder (Teil-) Öffnung im 2020 weit im Voraus ausgebucht. Es scheint also schon ein Bedürfnis der Menschen zu sein, wieder etwas zu unternehmen und zu erleben.

Ver-Führen ist also auch im Museum eine Kunst. Eine Kunst, die es gemäss Botanischem Garten auch tatsächlich gibt: Vor ein paar Jahren nach einer Veilchen-Führung im Frühling erschien im Tagblatt eine Anzeige: «Veilchenliebhaber sucht Dame mit Gucci-Tasche, Austausch der Blicke hat im Botanischen Garten anlässlich der Veilchen-Führung stattgefunden.» Ob sich die beiden getroffen haben? Das überlassen wir eurer Vorstellung.

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