Debbie Zedi, Leiterin Marketing & Kommunikation Museum für Gestaltung Zürich
Beat Högger, Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizerischen Nationalmuseums und Geschäftsführer Museumsbetrieb
Ladina Gerber, Leitung Kunstvermittlung Museum Haus Konstruktiv
Pius Tschumi, Museumsleitung Museum Mühlerama

Es wird bestimmt eines der aussergewöhnlichsten Jahre sein: 2020. Ein Jahr, das hauptsächlich von der Covid-19-Pandemie geprägt war und Spuren hinterlassen hat – auch in den Museen. Ladina Gerber (Leitung Kunstvermittlung Museum Haus Konstruktiv), Debbie Zedi (Leiterin Marketing & Kommunikation, Museum für Gestaltung Zürich), Beat Högger (Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizerischen Nationalmuseums und Geschäftsführer Museumsbetrieb) und Pius Tschumi (Museumsleitung Museum Mühlerama) blicken zurück. 


Zürcher Museen: Was sind Ihre Gedanken zum Museumsjahr 2020?
Pius Tschumi, Museum Mühlerama: Der Lockdown war eine ausserordentliche Erfahrung. Wechselnd lösen sich Ungewissheit und Gewissheit ab. Dies ist zwar eine bereits bekannte Konstante als Kulturschaffender, in dieser Dynamik ist sie jedoch noch nie da gewesen. 

Ladina Gerber, Museum Haus Konstruktiv: Es war ein Jahr zwischen Stillstand und Innovation. Während dem Shutdown mussten wir die Museumstüren schliessen und somit wurde unser Kerngeschäft – der direkte Zugang zu Kunst-Exponaten und die Auseinandersetzung damit für ein breites Publikum – komplett heruntergefahren und verunmöglicht. Der digitale Raum war der einzige verbleibende Ort, der noch zugänglich war und über den wir mit unseren BesucherInnen, KollegInnen und KünstlerInnen im Dialog und Austausch bleiben konnten.

Zürcher Museen: Wie geht es den Museen? Ihnen selbst?
Beat Högger, Landesmuseum Zürich: Die Museen sind bezüglich ihrer Eignerstruktur, ihrer Organisation, Finanzierung, Grösse, der Ausstellungsplanung und -ausrichtung oder ihrer Abhängigkeiten, zum Beispiel von ausländischen Besuchern oder Schulklassen, praktisch nicht miteinander zu vergleichen. Daher geht es den Museen in der Schweiz unterschiedlich gut.

Ladina Gerber: Ich kann nur für das Museum Haus Konstruktiv sprechen und da lässt sich sagen, dass dieses Jahr uns sehr viel Flexibilität abverlangt hat. Wir können von Glück sprechen, dass wir uns bereits in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen verstärkt mit digitalen Arbeitsmöglichkeiten, Kommunikationstools und Programmen auseinandergesetzt haben, was uns im Shutdown sehr geholfen hat. Nichtsdestotrotz ist die Situation für uns auch belastend und die Planung im Bereich der Ausstellungs- und Vermittlungsprogrammierung in einer so unsicheren Zeit sehr schwierig. 

Debbie Zedi, Museum für Gestaltung: Wir vom Museum für Gestaltung sind im Vergleich zu anderen kulturellen Institutionen soweit recht glimpflich davongekommen. Bis auf die paar Wochen während dem Lockdown im Frühling konnten wir den Betrieb auch unter Berücksichtigung der nötigen Sicherheitsmassnahmen weitgehend wie gewohnt weiterführen und unser Publikum empfangen. Vor allen Dingen mussten wir nie um das Überleben unseres Hauses bangen und durften uns unseren Jobs sicher sein. Im ganzen Team spüre ich ein Bewusstsein und grosse Dankbarkeit dafür.

Pius Tschumi: Viele subventionierte und teil-subventionierte Betriebe konnten sich dank Kurzarbeit und Ausfallentschädigung des Bundes und des Kantons über Wasser halten. Das ist unglaublich positiv und ich bin dankbar dafür, in einer solch privilegierten Situation wie der Schweiz zu sein. Es gilt aber die wirklich existenziell betroffenen Kulturschaffenden wie auch alle am Existenzminimum lebenden Menschen nicht zu vergessen. Bei uns sind 70 % der Betriebseinnahmen weggefallen. Die betriebliche Organisation, das On und Off sind aufwändig und anstrengend. Wir haben eine kleine Ausstellung realisiert und eine grössere für das Jahr 2020 geplante Ausstellung auf das Jahr 2021 verschoben. 

Zürcher Museen: Was beschäftigt Sie aktuell am meisten?
Beat Högger:
In den nächsten drei Monaten eröffnen wir neue Ausstellungen in all unseren Häusern. Die schwierige Planung aufgrund der Corona-Pandemie hält uns auf Trab.

Ladina Gerber: Die Pandemie hat gezeigt wie fragil unsere Gesellschaft ist, wie plötzlich unser gewohnter Alltag aus den Fugen geraten kann und wir mit einer Situation konfrontiert sind, die uns allen unbekannt ist und zu neuen Handlungsstrategien zwingt. Ich befinde mich wieder mehr im Hier und Jetzt, da das Planen im Beruf aber auch im privaten Leben schwierig geworden ist. Das hat seine Vorteile aber auch seine Nachteile. So scheint mir z.B., dass die Vorfreude etwas abhandengekommen ist, da Kulturveranstaltungen sowie private Feste auf weiteres abgesagt wurden.

Debbie Zedi: Als öffentliche Institution wollen wir Verantwortung übernehmen. Die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben höchste Priorität und müssen jeweils schnell und flexibel, aber auch mit grosser Sorgfalt geplant und umgesetzt werden. Wir müssen verstärkt in Szenarien denken, um umgehend auf neue Vorgaben reagieren zu können. Dazu braucht es eine schnelle und klare Kommunikation, sowohl innerhalb des Museumsteams als auch gegenüber unserem Publikum.

Pius Tschumi: Die Frage der Immunisierung der Bevölkerung ist wesentlich, um als öffentlicher Betrieb wieder funktionieren zu können. Ich rechne mit Unsicherheiten noch im 2021 und hoffe, aufs Jahr 2022 wieder mit Konstanz planen zu können.

Zürcher Museen: Wie sind Sie mit den Herausforderungen der Pandemie bis heute umgegangen? Was war schwierig? 
Pius Tschumi:
Wie soll man euphorisch einen Museumsbetrieb führen? Das Damoklesschwert der Pandemie schwingt bei jeder Entscheidung mit. Pragmatismus und Einhaltung der Bestimmungen helfen bestimmt, um zu funktionieren. Ich bin aber nicht ein Fan der Pandemie als Chance. 

Beat Högger: Die Schwierigkeit besteht darin, die Motivation nicht zu verlieren. Wir haben viel gearbeitet, vorbereitet und geplant, leider eben vieles auch vergebens. Die Gefahr besteht, dass man zu lange mit angezogener Handbremse agiert und dabei Chancen übersieht.

Zürcher Museen: Was war gut oder gar erfrischend neu?
Debbie Zedi:
Gerade der Lockdown im Frühling gab der digitalen Museumswelt einen Schub. Wir waren in dieser Zeit auf Social Media besonders aktiv und unsere Online-Angebote wurden noch reger besucht als sonst. Meetings via Zoom haben sich etabliert. Sie werden nie den persönlichen Austausch vor Ort ersetzen, sind aber gezielt eingesetzt sinnvoll, effizient und zeitsparend.

Beat Högger: 2020 gab der digitalen Transformation Aufwind. Im Ausstellungsbereich gab es schnell virtuelle Ausstellungsrundgänge oder interaktive Videoführungen und Sammlungen wurden vermehrt online zugänglich gemacht. Im Bereich Homeoffice und Telearbeit gab es eine erfreuliche Annäherung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 

Pius Tschumi: Ja, die Situation hat uns einen Stupser in Richtung Digitalisierung erteilt. Diese soll für die kommenden Jahre ausgebaut werden. Uns ist aber auch bewusst geworden, wo die Grenzen der Vermittlung und Kommunikation auf den digitalen Kanälen liegen. Die Vorteile überwiegen aber dennoch ganz klar. Der Austausch unter Mitarbeitenden, den Geldgebenden und den Besuchenden ist eine neue positive Erfahrung. Die Erfahrung der Stille im öffentlichen Raum sowie die Demut, etwas Mächtigerem ausgeliefert zu sein, sind einmalige und nachwirkende Erfahrungen. 

Ladina Gerber: Ich empfand ein starkes Teamgefühl im Museum – im Sinne von «das schaffen wir» und so war es auch. Das schnelle Reagieren auf die Pandemie liess gewisse festgefahrene Muster aufbrechen und neue Arbeitsformen zu, was ich als sehr erfrischend empfand. Persönlich werde ich mich wohl immer an den Frühlingshimmel im Jahr 2020 erinnern, der sich wie ein Yves Klein-Gemälde in strahlendem blau und frei von jeglichen Kondensstreifen über unseren Köpfen erstreckte, da konnte ich mich kaum daran satt sehen.

Zürcher Museen: Was erhoffen Sie sich für die Museen für das nächste Jahr 2021?
Beat Högger:
Ich erhoffe mir, dass wir dieses Virus in den Griff kriegen und die Menschen mit Freude wieder in die Museen kommen.

Ladina Gerber: Ich wünsche mir für die Museen und generell für Kulturinstitutionen, dass sie als systemrelevant anerkannt werden. Denn Kunst kann gerade in schwierigen Momenten Freude und Abwechslung bringen, sowie Anregungen für philosophische und gesellschaftliche Fragen und Gedanken geben, die sich in einer solchen Zeit aufdrängen.

Debbie Zedi: Ich hoffe, dass man das Museumserlebnis vor Ort bald wieder unbeschwert und gemeinsam geniessen kann – es vielleicht noch etwas mehr schätzt als vor Corona. Ich erhoffe mir, dass wir als Gesellschaft etwas aus dieser Pandemie lernen und mitnehmen können: Solidarität und Mitgefühl untereinander, aber auch Demut und Dankbarkeit für das, was wir haben. 

Pius Tschumi: Ein unbeschwertes Jahr, wo wir unsere Schutzmechanismen wieder abgewöhnen müssen und die hoffentlich wieder erlangte „Freiheit“ staunend und wertschätzend geniessen können. Kontinuität in der Arbeit und steigende Besucherzahlen. Ein grosses Fest!

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