Ausstellungsansicht «Lara Almarcegui. Deep Inside – Out», 2019 © Graphische Sammlung ETH Zürich, Foto: Livio Baumgartner
Giuseppe Galli Bibiena, Bühnenbildentwurf «Scena per angolo», 1. Hälfte 18. Jh., Federzeichnung, 45,6 x 56,5 cm © Graphische Sammlung ETH Zürich
Installationsansicht Aufbau Ausstellung «Die unterschätzte Horizontale. Das Gesims in Kunst und Architektur», 2021 © Graphische Sammlung ETH Zürich
Hiroshige Utagawa II, Absteigende Gänse bei Katada, 1858, Farbholzschnitt auf Japanpapier, 24,0 x 36,4 cm © Graphische Sammlung ETH Zürich
Dr. Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich, © Graphische Sammlung ETH Zürich, Foto: Florian Bachmann

Heute werfen wir einen Blick hinter die Kulissen der Graphischen Sammlung ETH Zürich mit der Leiterin Dr. Linda Schädler. Die Graphische Sammlung wurde 1867 als klassische Studien- und Lehrsammlung gegründet. Seither hat sie sich zu einer Institution entwickelt, die internationales Renommee geniesst und die Vermittlung und das Verständnis für Kunst auf Papier fördert – mit rund 160'000 hochkarätige Werken vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Heute zählt sie zu den bedeutendsten Graphischen Sammlungen in der Schweiz und zu den 50 grössten weltweit. 

Dr. Linda Schädler, Erforschen und Erschliessen sowie Ausstellen und Vermitteln sind Schlüsselwörter für die Graphische Sammlung, da sie als Institution ihre Tätigkeit auch als materialisierte Wissensordnung versteht, die auch ausserhalb eines Kunstdiskurses wissenschaftlich relevant ist. Wie dürfen wir uns das hinter den Museumstüren vorstellen?
Manche mögen erstaunt sein, dass die ETH Zürich eine Kunstsammlung besitzt, übrigens mit einem klaren Fokus auf Werke auf Papier. Ursprünglich wurde sie für Studierende und Forschende eingerichtet. Als jedoch grosse und vor allem sehr wertvolle Schenkungen in die Sammlung kamen, wurde es eminent wichtig, diese hervorragenden Bestände einem breiten Publikum näherzubringen.

Das heisst, dass wir aktuell zwei Ziele verfolgen: Wir richten uns an ein breites kunstinteressiertes Publikum und wollen dieses mit unseren Ausstellungen, aber auch mit vielen Veranstaltungen, Fachgesprächen und Diskussionen für unsere Sammlung begeistern und Wissen vermitteln. Zugleich wollen wir, wo sinnvoll, immer wieder Fragen und Themen aufgreifen, die über die klassische Kunstgeschichte hinausgehen. Unser Alleinstellungsmerkmal in der Schweiz ist bis heute, dass wir zu einer technisch ausgerichteten Hochschule gehören. Das wollen wir nutzen und mit den Forschenden an der ETH (sowie anderen Hochschulen und Universitäten) ins Gespräch kommen.

Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung über Lara Almarcegui von 2019. Die Künstlerin beschäftigt sich unter anderem zeichnerisch mit der Nutzung von Bodenschätzen und so haben wir Fachleute zu Mineralressourcen, zum Anthropozän und Architektur an eine Tagung eingeladen, um mit ihnen über Effekte und Visualisierungsstrategien in diesem Gebiet zu diskutieren. Im Herbst 2021 wiederum kooperierten wir mit dem Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der ETH Zürich und entwickelten gemeinsam eine Ausstellung, die sich mit dem Gesims in Kunst und Architektur beschäftigte. Uns interessierten bei diesem Projekt Fragen wie: Welche Bilder – etwa in Musterbüchern oder Fachbüchern – haben sich stark verbreitet und einen besonders grossen Einfluss auf die Architektur gehabt? Gab es bestimmte Bildstrategien, die ausgesprochen erfolgreich waren? Und dann wiederum: Was bedeutete es, in einem Kunstwerk ein Gesims als Teil einer Komposition darzustellen?

Was bedeutet das für die Ausstellungsarbeit und wie unterscheidet sich diese von anderen Museen?  
Bei vielen Ausstellungen unterscheidet sich unsere Arbeit nicht wesentlich von derjenigen anderer Museen. Etwa, wenn wir – wie noch bis Mitte März 2022 – das grossartige Werk der Glarner Künstlerin Lill Tschudi (1911–2004) vorstellen. Ihre Linolschnitte wurden hierzulande bislang kaum wahrgenommen, obwohl die Künstlerin im englischsprachigen Raum bekannt ist und zum Beispiel das Metropolitan Museum in New York über hundert Werke von ihr besitzt. Es ist uns wichtig, solche Positionen zu zeigen und dem Publikum näherzubringen.

Andere Projekte wiederum sind klar von unserer Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen geprägt. Wir sind Teil einer Bildungsinstitution und so liegt es uns am Herzen, gemeinsam mit Forschenden Themen aufzuarbeiten und in Ausstellungen zu zeigen. Ebenso wichtig ist es uns, in regelmässigen Abständen auch Studierende einzubinden. Das nächste Projekt dieser Art wird auf August 2022 hin realisiert. Anlass dazu war die Anfrage von Hans Bjarne Thomsen, Professor für ostasiatische Kunstgeschichte an der Universität Zürich, ob er sich mit seinen Studierenden mit unserem Bestand an ostasiatischer Kunst beschäftigen könne. Wir waren natürlich begeistert. Die Studierenden haben in einem Seminar unsere Blätter im Original studiert, die Inschriften übersetzt und alle Informationen über die Werke zusammengetragen. Die Zusammenarbeit war so erfolgreich, dass wir nun eine Ausstellung über unsere Ostasiatika organisieren. Basis dafür sind die Erkenntnisse der Studierenden, die ebenfalls für die Publikation Beiträge verfassen werden. Die Publikation verfolgt zwei Ziele: Zum einen wird sie unsere Werke aus diesem Gebiet international bekannt machen, zum anderen wird sie einem interessierten Publikum wie auch Studierenden grundlegende Aspekte der ostasiatischen Kunst vermitteln und damit als Einführung in das Fachgebiet dienen.

Gibt es etwas, das keine*r über die Graphische Sammlung weiss?
Interessant zu wissen ist, dass die Hochschule seit ihrer Gründung im Jahre 1855 nicht nur technisch-naturwissenschaftliche Fächer anbot. Dem Präsidenten des schweizerischen Schulrates, Dr. Johann Konrad Kern, war es schon damals wichtig, dass es Vorlesungen in Fächern wie Geschichte, Sprache und Literatur oder Kunstgeschichte gab. Ziel war ganz klar, spezialisierte Ausbildungsgänge mit einem breiten Angebot an Allgemeinfächern zu kombinieren. Dieses Konzept sollte sich zwar im Verlaufe des 19. Jahrhunderts zum Standard entwickeln, jedoch war das Eidgenössische Polytechnikum die erste technische Hochschule im deutschsprachigen Europa, die diese Struktur so konsequent umgesetzt hatte. Diese Offenheit war für die Gründung der Graphischen Sammlung (damals: Kupferstichkabinett) nicht unwesentlich.

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