Zum Völkerkundemuseum der Universität Zürich gehört eine umfangreiche Sammlung an ethnografischen Objekten, Fotos, Tönen und AV-Medien aus allen Regionen der Welt. Das Museum unterhält zudem ein Schriftenarchiv. Als Wissenschaftsmuseum ist es seine Aufgabe, die Archive und Sammlungen für die Forschung verfügbar zu halten und sie allmählich in Ausstellungen und Publikationen der Öffentlichkeit zu erschliessen. Als ethnologisches Museum sieht sich das Völkerkundemuseum in der Verantwortung, diese Arbeit im engen Austausch mit Vertreter*innen der Urhebergesellschaften anzugehen. Wir wollten mehr über die Sammlungsarbeit erfahren und haben bei der Direktorin Mareile Flitsch nachgefragt.

Frau Flitsch, was sind einige der Herausforderungen, mit denen Museen in Bezug auf ihre Sammlungen und ihre Rolle in der Gesellschaft konfrontiert sind? Wie versuchen Sie, diesen Herausforderungen zu begegnen?
Seit einigen Jahren erfahren Museen eine kritische Aufmerksamkeit. Provozierende Beiträge von führenden Akteur*innen in der Debatte um die Zukunft der Museen bringen koloniale Verstrickungen und ethische Probleme, Fragen der Rechtmässigkeit des Erwerbs und der Bewahrung von Kulturerbe, aber auch langfristige Probleme der oft anachronistischen Museumsbauten auf den Punkt. Tagungen begleiten diesen Prozess ebenso wie Interviews und Podiumsdiskussionen, Vorträge und Publikationen, oder Ausstellungen wie aktuell die gta-Ausstellungen «Unschöne Museen» im Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der ETH. Sie stimulieren, inspirieren, steuern gelegentlich auch den Prozess der aktuellen Neuausrichtung nicht nur der ethnologischen Museen, sondern auch von Kunst- und Geschichtsmuseen u. v. m.
Diese neue Aufmerksamkeit kommt der Museumsarbeit entgegen. In den vergangenen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, ist eine beeindruckende Vielfalt an Strategien des Neudenkens und Neustrukturierens von Museen, ihren Themen und ihrer Vermittlung entstanden. Wir wollen nicht länger eine westliche Deutungshoheit der Sammlungen beanspruchen, sondern solche Ansprüche im Gegenteil aufdecken. Es geht um das Offenlegen von Sammlungen und Archiven, um Transparenz, um Teilen von Wissen, um gemeinsame Forschung an Sammlungen. Der Öffentlichkeit ist oft nicht bewusst: Jedes Museum ist anders, weil jede Sammlung ihre eigene Herkunft und Geschichte hat. 

Das wüssten wir gerne genauer.
Die in ethnologischen Sammlungen in der Schweiz bewahrten «Objektdiasporas» (Paul Basu) fordern gerade ethnologische Museen dazu auf, Urhebergemeinschaften zu identifizieren und sie über den Verbleib ihres Kulturerbes in der Schweiz zu informieren. Es gilt gemeinsam zu überlegen, aus welchen Kontexten die Sammlungen stammen; wie sie in die Schweiz gelangten; welches Wissen erforderlich ist, um die Objekte und Archivalien zu begreifen; welche Zeitgenoss*innen einander im Moment des Sammelns einst begegneten, und wie wir uns heute darüber verständigen können; welche Bedeutung hier bewahrte Sammlungen für die Nachfahr*innen der Urhebergemeinschaften und ihre Zukunft ggf. haben und wie wir dazu beitragen können, dass dies möglich wird.
Am Völkerkundemuseum der Universität Zürich schauen wir uns dies aktuell in der Werkstattreihe «Fünf Fragen an die Sammlungen» anhand von verschiedenen Beständen an, die wir gemeinsam mit Partner*innen der Herkunftsregionen, mit Angehörigen von Migrationsgemeinschaften in der Schweiz und mit der Öffentlichkeit in den Blick nehmen. Wir teilen die Sammlungen, auch und gerade mit Urhebergemeinschaften, und realisieren in fünf Projekten unterschiedliche Kollaborationen an den Objekten. Jede Sammlung, jede Begegnung, jeder Dialog, der heute daraus entsteht, ist anders. Die Zukunft der ethnologischen Museen entsteht genau in solchen mitunter langen Prozessen der Verständigung über in der Schweiz bewahrtes Kulturerbe. 

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